JUNGEStheaterKEN

Kantonsschule Enge Zürich

Projektbeschreibung „Tells Welle“

„Tells Welle“ führt den Zuschauerinnen und Zuschauern den Missbrauch von Macht vor Augen. Auf der Grundlage zweier Literaturen, Schillers „Wilhelm Tell“ und Morton Rhues „The Wave“, greift das Drama des zeitgenössischen Schweizer Autors Jean-Michel Räber Themen auf, die zur Zeit unsere europäischen Gesellschaften (und nicht nur sie) in Anspruch nehmen: Es sind dies die Verlockung, die von charismatischen Führerpersönlichkeiten ausgeht, dann der Verlust der persönlichen Überzeugungen und der Eigenständigkeit der Individuen, die sich diesen Führerpersonen anschliessen sowie die Gefahr, die aufkommt, wenn manipulierte Individuen sich zur Masse ballen und im Dunstkreis ‚ihres’ Anführers Macht erhalten.

 

Das Experiment des amerikanischen Lehrers Ron Jones aus dem Jahre 1967, das er an der High School in Palo Alto durchführte und das Morton Rhue 1981 als Roman niederschrieb, ist weltberühmt: Im Geschichtsunterricht wollte Ron Jones mit seinen Schülern den Aufstieg des deutschen Faschismus untersuchen. Um nicht in der Theorie zu verhaften, entschied er sich für den praktischen Anschauungsunterricht. Er etablierte mit seinen Schülern in fünf Tagen ein autoritäres Regime, das die Schüler mit Begeisterung aufnahmen. Am Ende jedoch entglitt ihm das Experiment und er konnte es nur mit Mühe abbrechen.

 

Inspiriert von dieser wahren Geschichte geht in „Tells Welle“ eine Schulklasse für eine Projektwoche in ein Zeltlager. Unter der Leitung von Lehrer Schläpfer soll die Klasse dessen Überarbeitung von Schillers „Willhelm Tell“ einstudieren. Doch kaum sind die Zelte aufgestellt, muss Lehrer Schläpfer aus familiären Gründen abreisen. Er übergibt einem Schüler die Leitung. Diesem gelingt es, aus dem Haufen undisziplinierter Jugendlicher eine straff geführte Gruppe zu formen. Macht wirkt anziehend und so fehlt es Röbi nicht an Verehrerinnen und Bewunderern – die Gruppe rückt zusammen. Dann taucht aus dem Nichts eine Photographie auf, die Lehrer Schläpfer kompromittiert. Die Demontage des eben noch beliebten Lehrers beginnt, sein Stück wird umgeschrieben. Neu zählen Gefolgschaft und Fahnentreue und nicht mehr eigenständiges Denken und eigensinniges Aussenseitertum. Das neu gefundene Motto „Wir sind Tell“ gilt nun für die ganze Gruppe auf der Bühne wie privat; eine Hymne wird komponiert, ein Gruss dazu einstudiert.

Doch es sind nicht alle begeistert und Opposition formiert sich. Um diese zu bekämpfen wird hemmungslos intrigiert, belauscht, verfolgt, beschuldigt, ausgegrenzt und schliesslich mit Fäusten gekämpft.

        

Endlich aber bröckelt die Einheit und die Luft um Röbi wird dünn... 


(Text: Jean-Michel Räber / Beatrice Stoll)